Sarah

JUBELTRUBEL

 

Der Jubel als Lieblingsausdruck des freudigen Einverständnisses mit dem Hier und Dasein ist das Thema der Photoserie. Es posieren für uns Menschen aller Klassen im Taumel ihrer unbändigen Freude. Denn dabei sein ist alles, und das Dasein kann geteilt werden in ungeteilter Begeisterung. Das kleine Ich ganz groß bei sich. Drum werfen wir die Arme hoch und schnappen nach Luft, so eng ist es geworden im gemeinsamen Erlebnisraum, egal, ob an der Spitze des Geschehens oder tief drunten vor dem Sammelbecher.

Viele Jahrzehnte hindurch galt uns der Jubel als Beiwerk des Krieges. Da jubelten die gehorsamen Massen ihren Herrschern zu, zogen die jubelnden Mengen ins Feld, erhielten wir jubelnde Meldungen über Zerstörung und Opfer, triumphierten wir jubelnd paradierend vor den Zeichen der Macht. Die große Niederlage des Weltkriegsgottes brachte diese Geste erst einmal zum erliegen. Jubel gehörte im neuen Verständnis zu totalitären Systemen dazu und versprach nichts Gutes.

Erst mit der Öffnung der Börse für das gemeine Volk wurden ALLE zu potenziellen Gewinnern, die jubelnd in die Zukunft schauten, immer in Aussicht, reicher und glücklicher zu sein als gestern noch erträumt. Gewonnen wird wieder, nur auf einem anderen Kampfplatz. Dabei ist der Jubel, das Top des kollektiven Glücksausdrucks, kritiklos, opportunistisch, durchsetzungsfähig und spießig.

Und wir sind dabei! Wir schauen uns selbst dabei zu, wir teilen uns mit der ganzen Welt und retten diesen Moment from here to eternity. Wir könnten sofort sterben, denn das Leben ist zu schön.

Die photographische Interpretation arbeitet mit der Überlagerung von Belichtungsreihen. Damit werden Bewegungen eingefangen und verkoppeln die Geste mit dem Raum. Die Figur wird zur skulpturalen Groteske zersprengt, aber Splitter des Raumes fügen sich ein, und alles wieder zusammen.

 

Berit Uhlhorn